Leerstand muß nicht sein
Diese Ideen haben Studierende der School of Architecture für ungenutzte Immobilien
25.07.2022
Steintor. Wenn alte Mieter ausziehen, sind neue Interessenten bisweilen nicht in Sicht. Dann stehen Gebäude leer – in einem städtischen Gefüge eigentlich ein purer Luxus. Dass das auch anders gehen kann, darüber haben sich nun Studierende der School of Architecture der Hochschule Bremen Gedanken gemacht und ihre Ergebnisse im „Re.Material“, dem „Offenen Atelier zum zirkulären Bauen“ im Habü-Gebäude vorgestellt.
„Temporäre Nutzungen als Strategie zur langfristigen (Um)nutzung bestehender Stadträume“ heißt das Wahlmodul der School of Architecture, das von Daniel Schnier und Oliver Hasemann von der „Zwischenzeitzentrale“ (ZZZ) geleitet wird: „Wir hatten im Sommersemester an der Hochschule einen Lehrauftrag und haben mit Studierenden an selbst gewählten Standorten Leerstände untersucht“, erzählt Oliver Hasemann. „Sie haben sich dann jeweils einen Leerstand herausgesucht und ein Zwischennutzungskonzept entwickelt.“
Jessica Schnieders beispielsweise hat sich mit dem Kontorgebäude beschäftigt, das in früheren Zeiten der Sitz der Vulkan-Verwaltung war. „Es steht seit einiger Zeit leer und die Stadt Bremen möchte es abreißen lassen, um dort Wohnungen hinzubauen“, sagt sie – „doch das Gebäude hat eine tolle Lage mit ständig wechselndem Publikum.“ Außerdem könne das Gebäude mit vielen kleinen und großen Büros aufwarten, die Werkstätten, Kreativlabore und Ateliers beherbergen könnten. Sie meint, die Menschen sollten einen Ort zum Ausprobieren von Ideen haben, und ihre Idee ist dabei die „Abkehr von traditionellen Arbeitsstrukturen und die Vernetzung und Kooperation der verschiedenen Handwerke und Kunstrichtungen.“ Kostengünstig soll die Nutzung des alten Gebäudes sein, im Gegenzug sollen die Nutzenden Eigeninitiative und soziokulturelles Engagement mitbringen.
Sebastian Görs hat sich in Huchting umgeschaut. Für seine Untersuchung hat er sich den „Althuchtinger Dorfkrug“ ausgesucht, ein 1894 erbautes Gebäude am Kirchhuchtinger Dorfplatz, das einmal ein Lokal mit Kegelbahn beherbergte. Insbesondere im Hinblick auf die gute Erreichbarkeit durch den ÖPNV, kann sich Sebastian Görs vorstellen, dass dort „leckeres und bezahlbares Essen“ zubereitet wird und das mit Lebensmitteln, die sonst nicht mehr im Supermarkt verkauft werden können. Die Tafel oder ähnliche Organisationen könnten als Kooperationspartner dienen, feste Preise sollte es nicht geben, es sollte vielmehr das bezahlt werden, was die Menschen zu zahlen imstande seien. Die Laufzeit sollte ein Jahr betragen, während dieser Zeit sollen sich mögliche Käufer des Gebäudes finden.
Tabea Wulff hat sich in Hemelingen umgesehen, gefunden hat sie das alte Gebäude, das einst ein Real-Supermarkt war. Sie sieht in dem Gebäudekomplex eine gute Möglichkeit, eine Ausstellung für Straßenkünstler zu schaffen. „Dort können sie sich und ihrer Kunst freien Lauf lassen“, sagt sie, „es gibt keine Einschränkungen.“ Ob nun an den Wänden, dem Boden oder auf Leinwänden – alles soll möglich sein. Und auch dem Alter, dem Geschlecht, der Herkunft und der Kunst sollen keine Grenzen gesetzt werden. Zudem soll es Ecken für Besucher geben, die die Ausstellung dann mitgestalten können und somit ein Teil der Ausstellung selbst werden.
Noch ein Supermarkt: Das Gebäude, das an der Bismarckstraße liegt und mal mit einem Discounter und dann mit einem Bio-Supermarkt punkten konnte, steht schon seit 2019 leer. Fatima Miriam Wellbrock sieht in dem Zweckbau ein Pop-up-Restaurant, das zukünftig von mehreren Köchinnen und Köchen betrieben werden soll. „Zusammen mit dem dahinter stehenden Verein wird ein Ort geschaffen, wo die Leidenschaft fürs Essen zelebriert wird“, erklärt sie in ihrer Präsentation. Dabei soll jeder die Chance erhalten, Gastgeber auf Zeit sein zu können und eigene Speisekarten zu kreieren. „Es entsteht ein Ort, wo Menschen mit der Leidenschaft fürs Kochen temporär ein Restaurant betreiben“, so Wellbrock, und sie hat noch eine weitere Idee: „Durch das Wegfallen eines Startkapitals oder das Erbringen der Miete wird mehr Menschen ermöglicht, die Idee eines eigenen Restaurants auszuprobieren.“
Der Ort des Geschehens, das Habü-Gebäude in der Straße Vor dem Steintor, kommt dann ebenfalls zur Sprache: Einen gemeinnützigen Verein zu gründen mit Workshops und offenen Ateliers, war Pauline Steys Idee, als das Habü noch verrammelt und voll plakatiert war. Durch Kunst einen soziokulturellen Raum zu schaffen – oben Ateliers, unten Workshops. „Ziel des Projektes ist es, einen Ort der Begegnung durch kulturelle Aktivitäten und Angebote zu schaffen, in dem sich Menschen unterschiedlicher Herkünfte kennenlernen, interagieren und sich mithilfe der Angebote mit verschiedenen Themen befassen“, so die Vorstellung Pauline Steys.
INFO
Diese und weitere der insgesamt 13 Arbeiten der Studierenden sind derzeit noch im Schaufenster des „Re.Material“, Vor dem Steintor 95-97, zu sehen.
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